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Dienstag, 24. Juli 2018

Eminem - Revival Tour Hannover 10.07.2018 - Ein Konzertbericht

"Hannover, this is one of the greatest Shows we ever had!" - Warum das einzige Konzert von Eminem in Deuschland trotz hohler Phrasen ein historisches Ereignis war:

 

Als "das Hip-Hop Event des Jahres" wurde das Open Air auf dem Messegelände der niedersächsischen Landeshauptstadt monatelang glorifiziert. Anlässlich Eminems Rückkehr nach fünfzehnjähriger Deutschland Abstinenz waren 75.000 Karten binnen weniger Augenblicke vergriffen. Wer keine Eintrittsberechtigung für das Spektakel ergattern konnte, musste sich entweder damit abfinden oder Unsummen auf dem Schwarzmarkt zahlen und gleichzeitig eine Fälschung riskieren. 

Für alle glücklichen Kartenbesitzer aus ganz Deutschland wurde Hannover nun zu einer regelrechten Pilgerstätte. Mitte Juli könnte man dabei mit perfektem Open Air Wetter rechnen, stattdessen wurde man vom prasselnden Regen empfangen, der den ganzen Tag lang anhalten sollte. Ich hatte definitiv schon in fröhlichere Gesichter gesehen. Die getrübte Grundstimmung schien allerdings dazu beigetragen zu haben, dass sich selbst vor einem Konzert des Rapgottes gesittet benommen wurde. Vielleicht lag das aber auch am generell höheren Durchschnittsalter der Fans und der gleichzeitigen Diversität im Publikum. Dieses durchlief nämlich jegliches Zeitalter der Hip-Hop Kultur und zog sich gleichzeitig durch alle Gesellschaftsschichten. Dass ich in wenigen Stunden den Interpreten meiner ersten Rap-Platte live auf der Bühne sehen würde, begriff ich immer noch genauso wenig, wie in dem Moment, als ich es durch den Vorverkauf mitsamt einer Karte geschafft hatte. Um 16 Uhr begann, zwar mit etwas Verzögerung, da die Kartenlesegeräte ebenfalls gründlich nass geworden waren, endlich der langersehnte Einlass. Die zuvor angekündigten strengeren Einlasskontrollen gestalteten sich zwar eher lasch, aber um ehrlich zu sein hatte hier niemand Lust großartig viel Zeit damit zu verbringen, seine geöffnete Tasche länger als nötig im immer noch anhaltenden Regen durchwühlen zu lassen. Lediglich der Einsatz von Sprengstoffspührhunden verleitete zur Annahme, nicht auf einer gewöhnlichen Veranstaltung zu sein. 

Das Gelände vor der Bühne gliederte sich in Front-Of-Stage-Bereich eins und zwei, daraufhin folgte der restliche Innenraum. Und dieser füllte sich außerordentlich schnell, sodass man nach wenigen Minuten bereits das Gefühl hatte, sich nicht mehr von der Stelle bewegen zu können. Von nun an hieß es wieder: Warten. Generell hat ein Konzert dieser Größenordnung besonders viel mit Warterei zu tun, fiel auf. Richtige Vorfreude war immer noch Fehlanzeige und von diesem besonderen Vibe, den viele während des "Open Air Frauenfeld", auf dem Eminem am Wochenende zuvor auftrat, beschrieben haben, spürte man ebenfalls nichts. Aber Kopf hoch, das kommt mit Sicherheit noch.

Nach einer kurzen Sicherheitsbelehrung seitens des Veranstalters begann das langersehnte Bühnenprogramm. Royce 5'9" und 2 Chainz spielten jeweils zwei kurze und dabei auch relativ ermüdende Sets. Mit Stimmung einheizen hatte das jedenfalls nicht viel zu tun. Die Versuche, das Publikum zum Mitmachen zu animieren, scheiterten. Vorwerfen konnten man ihnen das allerdings nicht, schließlich wollte hier jeder Eminem, und auch wirklich nur Eminem, sehen.

Während ein letztes Mal die Bühne umgebaut wurde und ein weißer Vorhang empor stieg, setzte allmählich die Dämmerung ein. Kurze Zeit später erleuchteten die Monitore seitens der Bühne und ein Videoclip wurde abgespielt. Das Format erinnerte an den Trailer eines Blockbusters. Der Protagonist: natürlich, Eminem. Als Riese stampfte er nachts durch die Stadt und machte weder vor Autos, noch vor Gebäuden halt. Zum Schluss ging er auf die Kamera los und zerschmetterte auch diese. Die Projektion auf den Screens erlosch und die Menschenmenge rastete völlig aus. Da war sie nun, die Vorfreude, der Vibe, die funkelnden Augen und alles, worauf man immer gewartet hatte. Der nervtötende Regen, dem man zuvor stundenlang ausgesetzt war, schien auf einmal vergessen. Es ragten unzählige Smartphones über den vielen Köpfen, doch nicht einmal das verzerrte diesen Augenblick. Als der Beat einsetzte, der Vorhang viel und alle Augen auf Slim Shady gerichtet waren, schien die Stimmung ihren vorzeitigen Höhepunkt erreicht zu haben. Kein Wunder, denn von einer Steigerung innerhalb der Setlist konnte man nicht ausgehen, zu viele Hits hatte Eminem im Repertoire.

Der US-Amerikaner, im dunkelblauen Tracksuit und stets darauf bedacht, seine Kapuze nicht zu verlieren, stieg mit einem Cover seines Mentors Dr. Dre ein. Mit ihm stand, neben DJ und Backup Rapper, ein beachtliches Orchester auf der Bühne. Außerdem übernahm Skylar Grey, welche schon öfter als Featuregast auf Eminems Platten zu finden war, die Gesangsparts von Walk on Water, Stan, sowie Love the Way You Lie. Die Bühne selbst stellte eine amerikanische Stadt dar, die von Verwüstung nur so trotzte. Dazu erleuchtete ein Feuerwerk schon nach dem ersten Song den Himmel über der Stage. 

Die unangefochtenen Publikumslieblinge unter den Songs kristallisierten sich im Laufe des Konzertes deutlich heraus. Bestes Beispiel dafür: Rap God. Einmal angefangen zu flowen, gab es auf dem gesamten Messegelände kein Halten mehr. Die faszinierten Rufe aller übertönten Eminem förmlich und zauberten einem ein sehr breites Grinsen ins Gesicht. Den Legendenstatus hatte er immer noch berechtigt inne, jedoch machte er wenig später seinem gleichzeitigen Frust diesbezüglich Luft. "Kids call me a God, this is retarded." - heißt es in Walk on Water. 
Abgesehen davon, dass sein Backup Rapper Kon Artis sämtliche Interaktion mit dem Publikum übernahm (geboten wurden lediglich drei deutsche Wörter, darunter "Freifick", "Scheiße" und Muschi", die Eminem bereits 2009 in einer TV Total Show aufsagte) und von einigen Songs bedauerlicherweise nur die erste Strophe zum Besten gegeben wurde, konnte die Show dennoch überzeugen.

Statt kläglichen Rufen nach einer Zugabe, während die gesamte Entourage die Bühne verließ, verlangte die Menge selbstsicher nach "Lose Yourself", was daraufhin auch selbstverständlich als krönender Abschluss folgte. Nach dem anfänglichen Piano Solo stellten sich einem sämtliche Haare auf, als der Beat des oscarprämierten Songs einsetzte. Eminem selbst rannte energisch von der einen auf die andere Bühnenhälfte und in Sachen Textsicherheit des Publikums stand dieser Song ganz oben auf der Liste. Schließlich erhellte ein mehrere Minuten langes Feuerwerk ein letztes Mal den mittlerweile finsteren Himmel in Hannover. Eine der besten Shows, die Eminem jemals hatte, war es wohl nicht gewesen, aber für tausende Fans wurde dieser Abend dank vieler nostalgischer Gänsehautmomente einer der schönsten überhaupt..

-Annika







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